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1914_11_08 Im Anfang war


mariaK

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Im Anfang war

 

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ (Joh 1,1)

 

Das ist die härteste Nuss und die philosophischste Frage im Christentum. Tausende von Streitigkeiten gab es über diesen Vers und selbstverständlich deutet ihn jeder der unterschiedlichen Philosophen, Priester und Gläubigen auf seine Weise. Auch in der orthodoxen Kirche gab es Streitigkeiten über das Wort, man hat seinetwegen gekämpft; mit Schlägereien ist jedoch die Frage nicht zu lösen.

Was sollen wir im gewöhnlichen Sinne unter den Worten „Im Anfang war das Wort“ verstehen? Was ist das für ein Anfang“ oder ist dieser Anfang? Wenn die heutigen Philosophen eine bestimmte philosophische Frage erörtern möchten, gehen sie von gewissen Prämissen aus – machen etwas zum Prinzip und erklären damit eine bestimmte Sache. Zum Beispiel erklärte ein schwarzer Prediger die Schöpfung des Menschen folgendermaßen: „Gott hat sich einen ganzen Tag abgemüht, um den Menschen aus Lehm zu schaffen, hat ihn an den Zaun gehängt und dort drei Tage trocknen lassen.“ Einige der Zuhörer fragten ihn jedoch: „Worauf aber stützt sich dieser Zaun?“ „Das ist nicht eure Sache“, antwortete ihnen der Prediger. Auch die heutigen Philosophen haben einen Zaun, an dem sie das Wort und den Menschen trocknen lassen, alle Fragen lösen und sagen: „Der Mensch wurde aus feuchtem Lehm geschaffen und an einem Zaun getrocknet.“ Wenn ihr sie aber nach dem Zaun fragt, sagen sie: „Das zu wissen ist nicht eure Sache.“ Doch dieser Zaun versperrt uns den Weg und sobald wir bei ihm angekommen sind, bleiben wir stehen und müssen ihn umgehen. Ähnlich sprach auch ein evangelischer Prediger über den Propheten Jonas, als er meinte: „Der Wal quälte sich eine ganze Stunde ab und hatte seine liebe Not, bis es ihm gelang, Jonas zu verschlingen.“ Genauso quälen auch wir uns stundenlang, um die Frage zu lösen, doch sie ist noch immer nicht gelöst.

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ Hier geht es hauptsächlich um das Wort. Was ist unter dem Begriff Wort zu verstehen? Das ist jener vernünftige Akt Gottes, der sich in bestimmten, von uns wahrnehmbaren, Vibrationen äußert. Wenn also die Dinge sichtbar, spürbar und für den menschlichen Verstand begreifbar werden – wenn sie eine Form haben und für uns verständlich sind – das nennen wir Wort. Zum Beispiel sprecht ihr einen Begriff aus – das ist ein Wort. Aus wie vielen Elementen, aus wie vielen Buchstaben besteht das Wort Liebe? Aus fünf. Wenn ihr diese Elemente trennen könntet, würdet ihr verstehen, woraus die Liebe in Bezug auf die Menschen besteht, d.h. nicht in ihrem ursprünglichen Sinn, sondern in ihrer Erscheinungsform. Diejenigen, die die Frage nach dem wahren Wesen dessen, was wir Wort oder was wir Gott nennen, lösen möchten, werden in einen Widerspruch geraten. Man kann nie etwas bestimmen, das keine Form hat. Gott ist etwas ohne Form, also können wir ihn nicht definieren. Sagt, was Gott ist! Um ihn definieren zu können, müsst ihr ihm gewisse Grenzen setzen, ihm eine gewisse Form geben, ihm aus menschlicher Sicht eine Position und einen bestimmten Platz zuweisen. Diejenigen, die über Gott und das Wort schreiben, glauben die Frage geklärt zu haben. Sie erklären sie zwar, aber genau wie der evangelische oder der schwarze Prediger – entweder am Zaun oder im Maul des Wals. Doch das ist keine Erklärung.

Es heißt: „Im Anfang.“ Darunter verstehe ich jenen vernünftigen Akt, als alle von Gott erschaffenen Wesen sich dessen bewusst geworden sind, dass Er erschafft und begannen, mit Ihm gemeinsam zu arbeiten. Ich werde mich einer Analogie bedienen: Stellt euch vor, eine Mutter bringt ihr Kind zur Welt und sagt: „Das Leben meines Kindes hat begonnen.“ Ihr Kind steht am Anfang des Lebens, doch der Anfang seines vernünftigen Lebens begann noch nicht. Was für ein Anfang ist das? Geschrei und Weinen, und keiner versteht, was das Kind sagen will. Im Evangelium ist von einem vernünftigen Anfang die Rede. Erst wenn das Kind 21 Jahre alt wird und nachzudenken beginnt, können wir behaupten, dass dies der Anfang des vernünftigen Lebens ist, d. h. wenn es zu einem wirklichen Gedankenaustausch zwischen Mutter und Kind kommen kann. Also versteht man unter „Im Anfang war das Wort“ den Anfang, an dem wir begonnen haben, Gott zu verstehen, anstatt weiter nur von Ihm herumzuplärren. Jahrhunderte lang haben die Menschen geweint und dies oder jenes verlangt. Um meine Worte in einer wissenschaftlichen Form auszudrücken, möchte ich zeigen, dass dies alle Lebensstadien sind, die das Menschenkind durchlaufen hat. So ging dieser Anfang durch Millionen Formen, beginnend bei den kleinsten. Und da das Kind ständig weinte, musste ihm Gott laufend neue Kleider nähen, d.h. es in einen Vogel, in ein Säugetier usw. verwandeln. Wenn aber der Zeitpunkt gekommen ist, wo dieses eigensinnige Kind den Anfang versteht, bedeutet das, dass das Wort in es eingegangen ist. Deshalb sagt der Evangelist: „Der Anfang wird im Buch des Himmels als eine vernünftige Form der Ordnung vermerkt.“ Jeder Mensch beginnt mit Unordnung, beginnt als feuchter Lehm, den man oben am Zaun trocknen lässt. Doch wenn ihr vom Zaun heruntersteigt und euch auf eigene Füße stellt, wird im Himmel über euch geschrieben: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott“ – und dieser Anfang befindet sich bereits im Kopf des Menschen.

Ich werde mit einer anderen Analogie erklären, wann dieser Anfang beginnt. Stellt euch vor, ihr geht stromaufwärts und erreicht die Quelle eines Flusses. Ihr sagt dann, der Anfang des Flusses sei diese Quelle und bleibt dort stehen. Ja, das ist der Anfang, kein Philosoph kann das bestreiten. Hier ist der sichtbare Anfang, aber es gibt auch andere Anfänge, die wir nicht kennen. Dieses Wasser könnte vom Ozean stammen, es könnte in Form von Wasserdampf durch den Wolken gewandert und als Regen herab gefallen sein, es könnte sich durch die Erdschichten bewegt und die Quelle erreicht haben usw. Wir vereinfachen also, wenn wir sagen, dass dieser Fluss mit dieser Quelle beginnt. „Im Anfang war das Wort“ bedeutet jener vernünftige Anfang der gesamten Menschheit, als dieses Wort die Form angenommen hat, deren Existenz wir jetzt sehen. Natürlich seid ihr heute weit von diesem Anfang entfernt, Millionen von Jahren sind vergangen und alles hat sich getrübt.

Nun mache ich einen anderen Vergleich. Wenn ihr den Brief an die Galater lest, werdet ihr sehen, dass man dort über die Früchte der Liebe spricht. Nehmt eine Frucht und nehmt an, sie habe nur einen einzigen Fruchtkern. Falls ihr ihn irgendwann einpflanzt, wird das der Anfang seiner Entwicklung sein. Fragt ihr den Baum, wo er seinen Anfang nimmt, wird er euch antworten: „Von dem und dem Moment an – seit der Pflanzung des Kernes.“ Wenn man euch also fragt, was ihr in der Vergangenheit gewesen seid, könnt ihr sagen, dass ihr ein Kern wart, den Gott in den Boden gepflanzt hat, damit ihr aufgeht, euch verzweigt, aufblüht und Früchte ansetzt, die reif werden. Unser vernünftiges Leben ist ein Baum. Und dieser vernünftige Anfang wurde jetzt in unseren Kopf eingepflanzt. Der Körper wiederum zeigt, wie viele Millionen von Jahren der Mensch unter der Einwirkung der Anziehungskraft der Erde von diesem Anfang an abwärts geflossen ist. Der Kopf ist ein Sinnbild des ursprünglichen Anfangs, als der Mensch gepflanzt wurde.

Nun, ich werde jetzt nicht lang und breit über die tiefen Ursachen von etwas reden, was für viele zu kompliziert sein wird. Auf den ursprünglichen Zustand der Welt einzugehen und die Kräfte, die gewirkt haben, auf jene ursprüngliche Intelligenz, die am Werk war, usw. – das ist etwas Abstraktes, worüber auch die größten Philosophen geschwiegen haben. Als man den großen ägyptischen Meister Hermes danach fragte, presste er nur seine Lippen zusammen. Was wollte er damit sagen? Das bedeutet, dass der Mensch seinen Körper verlassen und selbst die Dinge an Ort und Stelle erforschen muss. Und wenn man sagt, dass jemand schweigt, deute ich dieses Schweigen so: „Geh hinaus, geh an Ort und Stelle und forsche.“ Fragt mich jemand zum Beispiel, wo die Quellen des Flusses Maritza sind, erkläre ich es ihm, aber er kann es nicht verstehen. Schließlich sage ich ihm, er soll schweigen, um zu verstehen. Das wollte auch Hermes sagen.

Mancher wird fragen, wie das möglich sei. Das zeigt, dass ihr noch nicht für diesen Ort bereit seid. Ihr seid noch Kinder, die ihre hiesigen Häuschen bauen und sich mit Spielsachen und Puppen beschäftigen. Es müssen noch Millionen von Jahren vergehen, bis ihr die Stufe erreicht, wo ihr über diese tiefe Frage nachdenken werdet. Diejenigen, die mich verstehen, werden die Lippen zusammenpressen und ich werde ihnen sagen: „Kommt mit mir, um dorthin zu gehen.“ Auf diese Weise habe ich die Frage philosophisch bereits erklärt. Sobald sie die Lippen zusammenpressen, ist das keine theoretische, sondern schon eine praktische Lösung der Frage. Und wenn mich die Menschen fragen, was der Anfang war, was das Wort im ersten Moment der weit entfernten Vergangenheit war, fordere ich sie auf, mir zu folgen. „Das können wir nicht.“ Dann spielt mit eurem Spielzeug auf der Erde – egal ob ihr Häuser baut, heiratet, oder Händler werdet, ob ihr Kriege führt. Erst nachdem ihr diesen ganzen Entwicklungsprozess durchlaufen habt, nachdem ihr erwachsen und klüger geworden seid und „Weg mit den Puppen!“ gerufen habt, erst dann wird sich ein Meister finden, der die Lippen zusammenpresst und sagt: „Kommt mit mir.“

Diejenigen, die dem Weg Christi folgen wollen, müssen eine bestimmte Auffassung von der Wahrheit haben. Denkt nicht, dass sie sehr leicht zu erwerben sei, denkt nicht, dass der Weg, den ihr jetzt eingeschlagen habt, leicht ist. Nein, es gibt Schwierigkeiten. Ich sage nicht, dass er äußerst schwierig ist, aber es gibt große Hindernisse. Wer sich entscheidet, diesen Weg einzuschlagen, muss dazu bereit sein. Auch die Natur errichtet stets große Hindernisse vor uns – kleine Balken, die wir ständig benutzen müssen, bis wir uns auf den weiten Weg vorbereiten. Die Frage besteht nicht nur darin, dass sich der Mensch auf den Weg macht, sondern er muss auch ankommen. Ihr aber geht ein, zwei, drei Tage, woraufhin ihr meint, dass aus dieser Sache nichts wird, und umkehrt. Und wenn euch die Leute fragen, was für Nachrichten ihr mitbringt, sagt ihr: „Lasst sein, das ist Unsinn!“ Erst nachdem ihr zu dieser ewigen Quelle gegangen seid, wo das menschliche Leben begann und wo das Wort ursprünglich war, erst dann werdet ihr verstehen, wie die damalige Form der Menschheit aussah, was die Menschensöhne darstellten. Das, was wir das Ebenbild Gottes nennen, ist für die Menschen auf der Erde eine Karikatur.

Wenn ich mir die Menschen ansehe, die nun behaupten, nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen zu sein, kann ich nur lachen, denn vor mir stehen Menschen-Karikaturen, deren Gedanken, Verstand und Herzen total verdorben sind. Das Bild, von dem man behauptet, es sei das Ebenbild Gottes, ist verdorben, ist nicht so, wie es einmal war. Und als das Wort, durch das alle Dinge entstanden sind, sah, dass sich das, was es nach dem Bilde Gottes geschaffen hatte, in eine Karikatur verwandelt hat, schickte es Christus aus der unsichtbaren in die sichtbare Welt, um den Verirrten zu sagen: „Hört auf mit den Lügen! Das, was ihr jetzt habt, ist nicht das Ebenbild! Es ist euer Bild!“ Man wird einwenden: „Am Anfang wurde ich doch von Gott geschaffen, ich wurde von ihm geboren.“ Wie aber wurdest du von Gott geboren? Dieser Anfang war in sich klar und rein, doch nun befinden sich in euch gewisse Beimischungen.

Um also den tiefen Sinn der Lehre, die Christus gepredigt hat, verstehen zu können, müssen wir uns reinigen. Das Wort reinigen bedeutet in einem anderen Sinne leichter werden, was wiederum ein Prozess der Organisation ist, d.h. ein vernünftiger Vorgang bei unserem Körperbau. Das Körperliche geht aus dem Gesetz hervor, dass es in der Natur ein gewisses Aufeinanderprallen zwischen den Kräften gibt. In uns existiert eine gewisse Kraft, ein gewisses Bestreben, uns Gott zu nähern, aber gleichzeitig existiert auch ein anderes Prinzip, das uns zur Erde zieht. Also ist unser Kopf mit dem Himmel verbunden und zieht uns nach oben, während uns der Körper nach unten, zur Erde zieht. Auf diese Weise sind wir gekreuzigt. Und wie kann man gekreuzigt denken? Nachdem wir gestorben sind, muss ein Nikodemus kommen, der die Nägel herauszieht, uns vom Kreuz abnimmt und in das Leichentuch hüllt. Und nachdem wir leichter geworden sind, erheben wir uns nach oben. Das ist die Auferstehung. Die Auferstehung ist ein Akt, bei dem wir uns auf den Weg begeben, um die Dinge an ihrem Platz zu sehen, um zum Wort, zu Gott zurückzukehren.

Nun wollt ihr, dass ich euch von Gott erzähle. Was soll ich euch erzählen, wenn ihr noch am Kreuz hängt und noch nicht leichter geworden seid? Ihr bittet: „Erzählen Sie von der Liebe.“ Was soll ich euch darüber erzählen, wenn ihr gekreuzigt seid und Schmerzen habt? Das Einzige, was ich einem gekreuzigten Menschen sagen kann, ist zu dulden und zu leiden, und ein Held im Leiden zu sein. Ich kann ihm nur diesen Trost geben. Das ist die Freiheit der Menschen – sie müssen durch den Leidensprozess gehen. Christus selbst hat das Beispiel dafür gegeben.

Christus hat also den Anfang für das Wort in unser Gehirn gelegt. Das Wort ist eine Offenbarung Gottes in der geistigen Welt, und mit ihm sind die Engel gemeint. Das heißt, anfangs bewegten sich die Engel in Gott und Er sich in ihnen. Und wenn der Evangelist sagt: „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns“(Joh 1,14), so meinte er damit, dass das Wort von den Engeln nach unten kam, eine andere Form annahm und in den Menschen herabstieg. Wenn wir über das Wort sprechen, das im Anfang bei Gott und Gott war, meinen wir damit all jene Wesen, die eine vom Menschen unterschiedliche Evolution haben. Sie sind etwas Großes, Söhne des Gedankens, der Vernunft – das sind sie. Das bedeutet nicht, dass sie die gleiche Form wie wir haben, sondern dass sie vernünftige Wesen sind. Christus verkörperte sich auf unserer Erde, um dieses Wort in artikulierter Rede zu predigen. Unsere Rede ist eine Übersetzung des Wortes. Auch früher schon habe ich über die richtige Übersetzung der Wörter gesprochen. Wenn uns jemand zum Beispiel fragt, wie die Übersetzung von den Wörtern "Fluss", "Quelle", "Licht" und "Wärme" lautet, werden wir sagen: Das Licht ist die Übersetzung von Wahrheit, die Wärme ist die Übersetzung von Liebe. Zwischen den Wörtern gibt es gewisse Wechselbeziehungen. So wie das Licht die äußeren Gegenstände beleuchtet, so beleuchtet die Wahrheit den menschlichen Verstand von innen. So wie die Wärme den Pflanzen beim Wachsen hilft, so bringt auch die Liebe, wenn sie in uns eindringt, jene Gefühle in Bewegung, die den Menschen zum Wachsen und Erheben anregen. Wer also die ursprüngliche Form des Wortes kennen will, muss die richtige Übersetzung finden.

Natürlich hat der Begriff Wort auf Bulgarisch die eine Bedeutung und in der griechischen Sprache, in der diese Phrase des Evangeliums zuerst geschrieben wurde, eine etwas andere. Auf Griechisch fängt dieses Wort mit dem Buchstaben λ an (λόγος, logos), und auf Bulgarisch fängt es mit dem Buchstaben „c“ an (–слово, slowo). Diese Tatsache deutet gleichzeitig darauf hin, dass sich das griechische und das bulgarische Volk nicht auf ein und demselben Platz, auf ein und derselben Ebene befinden. Als das Wort „logos“ auf Griechisch geschrieben wurde, besaßen die Hellenen ein Streben nach oben zu den Engeln, und unser Buchstabe C ist das Symbol des Halbmondes, was bedeutet, dass wir uns auf der Rückseite der astralen Welt befinden, und da wir kein Licht haben, nehmen wir das vom Mond widergespiegelte. Wir können also sagen, dass die Slawen in Bezug auf das Wort ein Volk sind, das absteigt, dass sie die tiefste Stelle erreicht haben, zu der man herabsteigen konnte, und dass sie jetzt mit ihrer neuen Evolution beginnen. Das ist der Grund, weshalb ich euch das Wort nicht erklären kann und ihr es nicht verstehen könnt. Denn in eurem Gehirn, in eurem Verstand scheinen immer noch der Mond und die Bilder, die Figuren, alles bei euch liegt noch im Dunkeln. Wenn aber das Tageslicht kommt oder wenn Christus in einer neuen Form erscheint, dann wird für euch alles hell und klar werden.

Unter Wort verstehe ich also jenen vernünftigen Anfang, der die Gedanken, die Wünsche und die Taten in uns schafft. Und jetzt müssen wir zu diesem Anfang zurückkehren. Alle Gegensätze im individuellen Leben und unter den Völkern werden erst verschwinden, wenn wir zu ihm zurückkehren. Und das gelingt dadurch, dass wir leichter werden. Wenn mich ein Fluss, der von der Quelle hinunter zum Meer fließt, fragt, was er tun soll, um zu seinem Anfang zurückzukehren, werde ich ihm antworten: Verdunste, werde leichter, erhebe dich in die Luft, damit dich die Winde wieder zur Quelle, zum Kopf zurücktragen, aus dem du entsprungen bist. Auch euch sage ich, ihr sollt dasselbe Gesetz anwenden. Dieses Gesetz ist die Selbstlosigkeit. Deshalb sagt Christus: „Wenn jemand mir nachkommen4 will, verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf und folge mir nach!“(Mk 8,34) Wir müssen uns von der Materie, von den Häusern, den Kindern, von den Dingen lossagen, an die wir wie mit Tausenden von Stricken gebunden sind.

Ihr sagt, ihr wollt zum Herrn gehen. Niemals werdet ihr zu Ihm gelangen, wenn ihr die Seile, mit denen ihr gebunden seid, nicht zerschneidet. Priester und Popen predigen über den Himmel, doch alle sind gebunden. Schweigt! Ihr belügt die Welt. Ihr lernt vom Mond und seht die Dinge in seinem Licht. Wenn die Sonne in eurem Verstand aufgeht, dann werdet ihr eine andere Vorstellung von der Welt und vom Leben haben, ihr werdet sehen, wie falsch eure Auffassungen waren. Deshalb bedeutet Selbstlosigkeit ein Leichterwerden.

Manche meinen, dass sie sich nicht lossagen wollen. Gut, aber sie steigen die Schräge hinunter und gelangen zu den Ozeanen. Es gibt keinen anderen Weg – entweder nach oben steigen oder nach unten rutschen. Damit wir uns aber erheben können, damit wir leichter werden, muss uns die Sonne bescheinen. Der Mond kann uns nicht verdunsten lassen, im Gegenteil – oft ist er der Grund für eine Verdichtung des Dunstes. Dieselbe Analogie über die Sonne und den Mond finden wir im ersten Kapitel der Genesis, wo es heißt, dass Gott diese zwei Prinzipien geschaffen hat und dass sie die ganze Wahrheit enthalten – der Mond ist ein Prozess des Hinabsteigens zur Erde und die Sonne ist ein Prozess des Hinaufsteigens zu Gott. Der Sonnenuntergang bedeutet ebenfalls Herabsteigen und der Sonnenaufgang – den Prozess einer neuen Evolution. Deshalb erzählt euch der Mond alle achtundzwanzig Tage die Geschichte eures Untergangs. Wenn ihr euch fragt, warum ihr gefallen seid, warum ihr nicht denken könnt, warum ihr keinen Willen habt, wird es euch der Mond sagen. Alle seine Phasen erzählen euch über die Ursache eures Untergangs. Und dann wird jemand fragen, wie er sich erheben und zu Gott kommen kann. Steht morgens auf, wenn die Sonne aufgeht, betrachtet Gott und ihr werdet den Weg finden. Einige meinen, dass sie ununterbrochen an Gott denken müssen. Nein, ihr könnt zwar einen Gedanken mit euch herumtragen, aber wahrscheinlich benötigt er bestimmte Bedingungen, um wirksam zu werden. Die Keime eurer Rettung sind gesetzt, aber erst wenn sie zu wirken beginnen, werdet ihr euch erheben.

Man sagt, Christus sei gekommen, um die Welt zu retten. Inwiefern wird er sie retten? Als Christus kam, tauten unter der Eiskruste alle Keime auf, die Millionen von Jahren in einem sozusagen potenziellen, gefrorenen Zustand waren, und traten aus dieser Eiszeit heraus. Jetzt werde ich mich nicht darüber auslassen, dass die Erde einmal eine Eiszeit durchlaufen hat. Auch im geistigen Leben gibt es oft so eine Eiszeit. Wenn der Mond in eurem Verstand scheint, sage ich, dass ihr in der Eiszeit seid – eure großen vorsintflutlichen Tiere sind ausgestorben, die Pflanzenwelt ist verschwunden und ihr habt nur ein minimales Leben – so viel, wie euch der Mond gibt. Falls ihr mich fragt, was ihr machen sollt, antworte ich euch: Die Sonne muss euch bescheinen, Christus muss in eurer Seele aufgehen, an eurem Horizont erscheinen und mit seinen Strahlen der Wahrheit auf euch einwirken.

Nun könnt ihr mir sagen, dass Christus kommen wird. Ja, er kommt unbedingt. Aber wo werdet ihr sein, wenn er kommt – am Äquator oder am Nordpol, in dem gemäßigten Gürtel oder am Südpol? Ihr müsst eure Position in Betracht ziehen und einschätzen, wie die Strahlen Christi in eure Seele fallen werden – ob senkrecht oder schräg. Wir alle müssen zu der Stelle gelangen, wo uns Gott trifft, d. h. auf göttlichen Boden. Seid ihr Hellseher, so erkennt ihr, dass es auch eine andere Erde gibt. Wenn ich anfangen würde, euch die Ansichten der Okkultisten über die Erde, über die Bewegung der Sphären zu erklären, würdet ihr sagen, es sei besser, wenn ihr all das nicht wüsstet, weil ihr in einen großen Widerspruch geraten würdet. Ich sage euch, warum. Als die Gelehrten das Radium entdeckten, erschraken sie und begannen zu behaupten, alle bisherigen Theorien und Anschauungen würden in die Brüche gehen, man müsse sie gründlich umgestalten, deswegen wäre es besser, wenn sich die Wissenschaft nicht mit diesem Element beschäftige. Ich aber sage: Wenn das Radium Christi kommt, müsst ihr eure Auffassungen und euer Leben von Grund auf, durchgreifend umgestalten.

Johannes wendet sich in dem zitierten Vers also an diejenigen, die verstehen. Das ist die tiefste Frage im Evangelium. Diejenigen, für die es geschrieben wurde, verstanden es. Eines Tages werdet auch ihr anfangen zu verstehen. Wenn ihr meint, euer Verstand sei verwirrt, gebe ich euch den Trost: Noch bescheint euch der Mond. Wenn euch die Sonne beleuchtet, wird diese Frage für euch klar sein. Ihr braucht nur aufrichtig zu sein und an dem Ort stehen, an den Gott euch gestellt hat. Nach diesen Gesetzen werden die Bedingungen für euer Wachstum unbedingt kommen, man muss nur warten. Diejenigen aber, für die Gott erstrahlt ist, müssen selbstlos sein, leichter werden, nicht nach unten abrutschen oder im philosophischen Sinne gesagt: Eure Gedanken müssen einen Inhalt haben. Außerdem müssen sie auch ein Ziel haben, das ihr anstrebt.

Ein Christ, der seine Pflicht erfüllen will, muss wissen, warum alles geschehen ist. Zum Beispiel kommen Kinder zur Welt. Warum? Ihr sagt, dass der Herr es so angeordnet hat. Wisst ihr wirklich, ob der Herr es so angeordnet hat? Auch die Säufer könnten sagen: „Der Herr hat den Wein gegeben, damit wir trinken.“ Hat wirklich Gott ihn geschaffen oder haben wir ihn gemacht? Gott hat die Weintraube geschaffen, aber der Wein ist unsere Erfindung. Auf dieselbe Weise nehmt ihr Mehl und knetet einen Brotlaib daraus, aber hat Gott bestimmt, dass ihr das tut? Nein, das ist eure Erfindung. Ihr stellt zwei Steine auf, die das Korn mahlen. Hat aber Gott bestimmt, dass der Weizen zu Mehl gemahlen wird? Nein, das ist euer Wille, weil ihr die Weizenkörner in eurem Magen nicht verdauen könnt. Wenn also die heutigen Menschen sagen, dies oder jenes sei Wahrheit, müsst ihr sie fragen: „Ist das die Wahrheit Gottes oder die eurige?“ „Aber ich predige doch Christus.“ Du predigst deinen Christus. „Ich predige doch Gott.“ Du predigst deinen Gott, belüge mich nicht! Ich sage: Weder lasse ich mich belügen noch lüge ich. Jeder Mensch predigt seinen Christus, seinen Gott. Wenn sich ein Mädchen in einen jungen Mann verliebt, ist er für sie ein Engel, sie würde für ihn sterben, aber wenn sie heiraten, fängt sie an zu behaupten, er sei ein Teufel und sie stürbe schon seinetwegen. Wer hat dann Recht? Im Leben sagen wir auch, dass wir für unseren Christus sterben würden, aber wenn wir den Herrn heiraten und sehen, dass Er nicht so ist, wie wir erwartet haben, wollen wir Ihn nicht mehr und behaupten, er sei der Falsche. Wenn wir also sagen, „im Anfang war das Wort“, welches Wort verstehen wir dann darunter: das Wort nach unserer Auffassung oder das ursprüngliche Wort, das die Grundlage aller Menschen ist? Jenen Anfang, auf den wir uns alle stützen, in einem Organismus vereint und ein und denselben Saft schöpfend, oder irgendeinen anderen, falschen Anfang?

Jeder von euch muss zuallererst diese Frage lösen und wissen, in welchem Anfang er sich befindet. Ihr werdet meinen: Das weiß ich doch. Stets höre ich das – der Mann sagt „ich“, die Frau sagt „ich“, alle sagen „ich“, „es gibt keinen wie mich“, „ich bin groß“. Ich betrachte ihn und sehe, dass er nur ein 5 cm großes Ästchen am Baum ist, manch einer sogar nur ein Blatt. Bald kommt der Herbst, du fällst ab, gelangst zu den Wurzeln dieses Baums und dann begreifst du, dass es einen anderen Anfang gibt – der eine ist oben und der andere ist unten.

Jeder von euch sollte also wissen, wo sich dieser Anfang befindet – in der Wurzel, im Stamm, in den großen oder in den kleinen Zweigen, in den Blättern, in der grünen oder in der reifen Frucht, oder in deren Kern. Falls ihr meint, dass er im Kern der reifen Frucht ist, dann sage ich euch: Du bist bereits ein Mensch, der sich auf den Weg machen und prüfen muss, wo der ursprüngliche Anfang liegt, über den Johannes sprach. Falls ihr sagt, ihr seid in den Blättern, habt ihr noch viele Millionen von Jahren zu warten. „Ich bin doch in der grünen Frucht.“ Wieder wirst du warten, bis du völlig reif wirst. „Ich habe doch schon angesetzt.“ Gut, aber es könnte ein Gewitter kommen, welches du nicht überstehst und hopp, vom Baum – hinunter auf die Erde. Der Kern jedoch hat noch kein Leben in sich und nach diesem Gesetz musst du verfaulen, erneut die Entwicklung durch die Wurzeln und den Stamm durchlaufen, wieder nach oben wachsen und ein neues Leben beginnen. Wenn wir Zeit hätten, würde ich auf die Frage nach dem Fallen der Frucht eingehen. Viele fordern mich auf: „Erzähle uns, wo wir einst waren.“ Ich weiß, wo und was ihr wart, ich könnte darüber sprechen, aber wer weiß, was ihr mir entgegnen werdet? Jemand würde sagen: „Wenn das Wahrheit ist, dann ist es eine große Lüge.“ Und wenn man das einem Außenstehenden erzählt, wird er sagen: „Das ist eine große Lüge.“ Die Lüge aber ist der Schatten der Wahrheit. Du kannst solange lügen, wie du die Wahrheit kennst, d.h., um jemanden zu belügen, musst du ihn über eine gekannte Wahrheit belügen. Die Lüge ist eine Gefährtin der Wahrheit – wo es Wahrheit gibt, gibt es auch Lüge und umgekehrt.

Lasst mich wieder auf die Frage zurückkommen: Wie sollen wir dieses vernünftige Prinzip bei uns anwenden? Jemand meint, es handele sich um eine Kraft, die wirkt. Was versteht ihr darunter? In den Köpfen der heutigen Gelehrten ist das so unbestimmt. Man sagt, es sei eine Kraft, die aufbaut, aber wie baut sie auf? Man sagt: durch Anziehung und Zusammenschluss, aber auf welche Weise? Zwei Menschen fassen sich bei den Händen und fühlen sich zueinander hingezogen; der Magnet zieht Eisenspäne an. Nun gut, aber die Anziehungskraft muss in einem gewissen Verhältnis zueinander stehen. Es ist die innere Kraft, die unsere Gedanken und Gefühle zum vernünftigen Anfang hinziehen muss. Um zu begreifen, ob wir von diesem vernünftigen Anfang angezogen werden, ob wir von der Erde befreit sind, müssen wir spüren, wann die Widersprüche in uns verschwinden. Das ist ein Merkmal dafür, dass wir auf dem richtigen Weg zum Anfang sind. Solange es ein Ringen gibt, stehen wir zwischen beiden Prinzipien und ähneln dem Wanderer, der die Orientierung nach den vier Himmelsrichtungen verloren hat. Anstatt nach Osten zu gehen, geht er nach Westen und kann sich nur orientieren, wenn die Sonne aufgegangen ist.

Man sagt: Das Ende ist nah. Welches Ende ist nah? Stirbt der Schüler etwa nach dem Gymnasialabschluss? Nein, das ist das Ende seiner Schulzeit und der Anfang seines Eintritts in die Welt. Und wisst ihr, was das Wort „Ende“ ursprünglich bedeutete? Ein mutiger, kluger und geschickter Mensch, der zu arbeiten weiß und alles ertragen kann. Auch jetzt, wenn die Menschen sagen, „das Ende ist gekommen“, bedeutet dies, dass die Arbeit beendet ist. Ist der Stoff, den ihr webt, beendet, nehmt ihr ihn vom Webstuhl und beginnt zuzuschneiden, d.h., das Ende des Webens ist der Anfang eures Bekleidens. Nachdem ihr euch angekleidet habt und euch die Leute wegen des schönen Kleidungsstücks loben, solltet ihr nicht stolz sein, denn nicht ihr habt es genäht. Seid nicht stolz, sondern bedankt euch bei dem Schneider, dem es gelungen ist, das Kleidungsstück zuzuschneiden und zu nähen. Es gibt Menschen, die, nachdem man sie auf diese Weise gelobt hat, denken, das beziehe sich auf sie. Nein, das Lob ist für den Schneider und sie sind nur seine Werbung. Ist euer Kleid schlecht genäht, verschandelt, werdet ihr gleich sagen, ihr wollt nicht mehr zu diesem Schneider gehen. Man wendet sich zum Beispiel an jemanden mit den Worten: „Sie haben edle Gedanken“, und er fängt an sich einzubilden, er sei etwas Großes und wird überheblich. Warte, das sind nicht deine Gedanken! Danke demjenigen, der sie dir eingegeben hat und dich dabei nicht betrog.

Wenn euer Verstand in Aufruhr ist, wisst ihr dann, was ihr tut? Natürlich nicht. Vorerst herrschen in eurem Verstand unklare Ideen. Christus sei ein Prinzip, meint ihr. Ein Prinzip bedeutet ein Ursprung, ein Haupt, eine Quelle. Wenn ihr zu dieser Quelle geht, könnt ihr bereits reines Wasser kosten. Wenn wir aus der Quelle Christi schöpfen und von diesem Wasser des Lebens trinken, so werden sich unsere Gedanken und Wünsche unbedingt herauskristallisieren. Das wird außerdem zu einem weiteren Ergebnis führen: Der Aufbau unseres Körpers wird von nun an richtig vonstattengehen, Leiden und Schmerzen werden verschwinden, wir werden richtige Auffassungen haben, den Menschen nützliche Dinge sagen und den Durst der Durstigen stillen können. Christus sprach zu jener Frau: „Das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm eine Quelle Wassers werden, das ins ewige Leben quillt.“(Joh 4,14) Auch ihr kommt jeden Morgen hierher, um aus diesem Brunnen zu trinken. Gut so, aber ich, der ich es liebe, die Wahrheit zu sprechen, der ich weder lügen mag noch belogen werden will – ich möchte, dass ihr euch ein Rohr von dieser wasserreichen Quelle, aus der ich schöpfe, bis zu eurem Hof legt und wenn die Zeit herangekommen ist, sollt ihr den Wasserhahn öffnen und trinken. Ich rede zu jenen von euch, die Schüler von Christus sein wollen und wenigstens ein ein Zentimeter langes Röhrchen von dieser Quelle aus verlegt haben. Und wenn die Welt in einen Belagerungszustand gerät und die Menschen dürsten, wird euch euer Rohr zu trinken geben und ihr werdet keinen Durst verspüren. Die Quelle wird in eurer Seele sein – das ist der Anfang und auch das Ende. Wisst ihr aber, was ein Ende ist? Wenn ihr aus der Quelle einen kleinen Wasserhahn in euer Haus leitet – das ist das Ende der Dinge.

Also müssen wir die Gedanken und Wünsche, die wir haben, als uns gegeben betrachten. Von uns wird nur verlangt, sie zu benutzen. Jeder Gedanke kommt und geht, ihr könnt ihn nicht festhalten. Und denkt nicht, dass ihr auch die Wünsche festhalten könnt! Nein, so wie die Nahrung durch uns hindurchgeht, so kommen und gehen nach demselben Gesetz die geistigen Gedanken. Sie sind Formen, die gewisse Lebenssäfte beinhalten. Benutzt die Säfte, die in ihnen enthalten sind, den Blütenstaub aber verstreut im Raum, der sich von neuem anfüllen wird. Lasst ihr die Säfte lange Zeit in einer Flasche, so werden sie verderben und der Herr wird euch dafür verantwortlich machen. Einige möchten reich an Gedanken werden, aber man kann leicht hineingreifen und sie berauben. Wie das Geld, erkennen auch die Gedanken keinen Herrn an, sondern sie kennen nur denjenigen, der sie besitzt. Irgendein Mensch kann in eurem Kopf wühlen und eure Gedanken wegschnappen, er kann in euer Herz greifen und eure Wünsche wegschnappen. Zum Beispiel verliert ein Mädchen sein Herz und beginnt dahinzusiechen oder jemandem werden die Gedanken weggeschnappt und er wird verrückt. Warum? Weil sie das grundlegende Gesetz nicht verstehen, dass jeder Gedanke und jeder Wunsch von der unsichtbaren Welt zu uns geschickt sind, damit wir sie benutzen, worauf wir sie wieder in die Welt entlassen. Wenn es Bewegung, wenn es einen Austausch der Gedanken und Wünsche gibt, dann gibt es auch eine Bereicherung. Im Austausch für die Gedanken und Wünsche, die wir weiterschicken, werden wir die entsprechenden Lebenssäfte bekommen. Deswegen sagt Christus: „Ich bin das Leben.“(Joh 14,6) Das Wesentliche für uns ist das Leben. Also müssen wir alle unsere Gedanken und Wünsche einspannen, um das Leben zu erwerben. Und nachdem wir es erworben haben, werden wir freie Bürger sein und uns auf den Weg zu diesem Anfang machen – zur ewigen Quelle, wo wir unseren Durst löschen müssen.

Wenn jemand stirbt, sagt man: „Er ist ins Jenseits gegangen.“ Ist der Kern reif, kommt er ins Jenseits, ist er aber nicht reif, fällt er neben den Stamm, dicht bei der Wurzel und kommt nicht ins Jenseits. Manch einer hält sich für reif. Wenn man wirklich reif ist, kommt der Herr, nimmt die Frucht und bringt sie an einen guten Ort. Also sollte sich jeder fragen, ob sein Kern reif ist.

Nun sagt ihr aber: „Ich glaube an Christus.“ Gut. – „Er wird mich erlösen.“ Das ist auch gut, aber ihr werdet lange Zeit zu Füßen des Baumstamms fallen, ehe der Kern in euch reif wird. Erst nachdem er reif geworden ist, werdet ihr geistige Freiheit erlangen. Dieser kleine Keim ist der einzige Reichtum, den der Mensch von der Erde mit in den Himmel nimmt. Dort aber pflanzt ihn der Mensch wieder ein für ein neues Leben, denn im Himmel gibt es dieselbe Schule und auch dort wird gearbeitet. Und wenn man euch dort eine hohe Wissenschaft predigt, wie wollt ihr sie verstehen, wenn ihr keine Fähigkeiten habt, wenn ihr auf der Erde nicht gelernt habt, eure Gedanken und Wünsche zu steuern? Wenn ihr die Lehre Christi verstehen und in der Lage des Räubers sein wollt, der rechts von ihm gekreuzigt wurde, und zu dem Christus sagte: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“(Lk 23,43), dann müsst ihr arbeiten. Einige meinen vielleicht, dass auch sie gekreuzigt seien. Ja, aber auf welcher Seite? Wenn ihr euch links von Christus befindet, bedauere ich euch – trotz eurer Leiden werdet ihr nicht in den Himmel kommen. Wenn ihr rechts gekreuzigt seid, dann freue ich mich – eure Erlösung ist gekommen. Alle, die rechts gekreuzigt sind – Lehrer, Priester, Philosophen, Könige – werden erlöst. Seid ihr aber links gekreuzigt, dann kommt ihr wieder in diese Welt zurück, um an euch zu arbeiten. So lautet das Gesetz Gottes.

Der Anfang, das ist die rechte Seite, das ist Christus. Das bedeutet nach dem Gesetz Gottes zu handeln, es im Leben anzuwenden und keinen zwiespältigen Verstand zu haben. Einige, die mir zuhören, fragen sich: „Worauf soll ich hören? Darauf, was die Kirche sagt, oder darauf, was dieser Mensch predigt?“ In diesem Fall hast du, mein Freund, zwei Köpfe. Wenn wir – die Kirche und ich – die Wahrheit Gottes predigen und lehren, kann es keinen Widerspruch geben und die Ergebnisse werden immer dieselben sein. Mit anderen Worten: Wenn wir nach dem Gesetz Gottes handeln, wird der von einem Priester gepflanzte Apfel auf dieselbe Weise wachsen wie der von mir gepflanzte. Nur die Ergebnisse unserer Taten müssen betrachtet werden. Warum zweifelt ihr – ihr habt eine Kerze, mit der ihr sehen könnt, ob wir die Wahrheit sprechen. Jemand begegnete mir und fragte mich, ob ich schwarz oder weiß sei. „Du hast doch eine Kerze, sieh hin!“ „Aber ich sehe nichts.“ Dann stehst du im Dunkeln. Ich kenne dich und sehe, wer du bist. Du bist zum Beispiel evangelisch und meinst, dein Glaube sei der richtige. Wie kannst du dann die Wahrheit nicht erkennen? Mein Freund, du bist ein Mensch, der sich selbst und auch die anderen betrügt. Die Wahrheit hat nur ein Gesicht und das ist Harmonie, Selbstlosigkeit, Tugend, Weisheit, Gerechtigkeit. Erwerbt ihr dieses Gesicht, dann habt ihr sicheren Frieden, Ruhe und Kraft. Dann kann die Welt in Aufruhr geraten, das Meer stürmisch sein, ihr aber werdet still, ruhig und frei sein wie die Vögel, die sich auf ihren Flügeln erheben. Wenn euer rechter oder linker Flügel verkrüppelt ist, stürzt ihr kopfüber zur Erde hinab. Und die Erde wird sagen: „Wer nur einen Flügel hat, der bleibt bei mir.“ Sünder sind Vögel mit nur einem Flügel. Die Teufel sagen: „Wir brauchen Menschen mit nur einem Flügel!“, Christus aber sagt: „Ich brauche Menschen mit zwei Flügeln!“ Wir haben zwei Arme – einen rechten und einen linken – und würden wir die Gesetze der Materieverdünnung beherrschen, könnten wir mit ihnen fliegen, uns erheben, wären frei, unseren Körper zu verlassen, wann immer wir möchten. Vorerst habt ihr Angst vor dem Tod und meint: „Die Teufel sind schlechte Geister, sie werden uns daran hindern.“ Was könnten sie euch antun, nachdem auch sie demselben Gesetz unterliegen? Wenn wir beide Flügel beherrschen und Christus in uns ist, brauchen wir nichts zu befürchten. Die Angst in uns zeigt, dass wir nicht mit Gott sind. In der Schrift steht: „Die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus.“(Joh 4,18) Wenn du Angst hast, ist die Liebe nicht in dir.

Ihr fragt jetzt, wie Christus uns retten wird. Seltsame Leute seid ihr! Sobald ihr das Weizenkorn sät, kommt eure Rettung und es wird keine Hungerjahre geben. Ihr wollt Engel sein. Wie könntet ihr solche werden, wenn ihr zuvor nicht gesät wurdet und gesprossen seid? Engel fliegen wie Vögel, ihr aber seid Pflanzen. Wie solltet ihr euch dann so schnell verwandeln? Wisst ihr, wie viele Formen ihr durchlaufen müsst? Unter dem Wort Formen verstehe ich die Kräfte, die ihr beherrschen müsst. Um eine Form verändern zu können, müsst ihr die Gesetze der in ihr wirkenden Kräfte kennen, weil sie euch einschränken. Euch wurden bestimmte Grenzen gesetzt. Ihr müsst, beispielsweise, dreimal täglich essen, sonst verliert ihr euer Wohlbefinden. Wenn ihr nicht trinkt, geschieht dasselbe. Jemand sagt: „Ich bin stark.“ Du bist nur innerhalb von drei Tagen stark. „Ich bin Patriot.“ Wenn ich dich drei Tage lang hungrig halte, beginnst du anders zu denken und um Brot zu betteln. Wir müssen lebendiges Brot erwerben, wir dürfen es nicht nur von der Erde nehmen. Die Erde ist für uns ein Wucherer. Alle Wucherer und alle schlechten Geister sind in solche Ämter eingesetzt und sagen: „Wir geben dir Brot, aber du wirst uns so und so viel zahlen!“ Ihr jedoch müsst klug werden. Wenn sich zehn kluge Menschen finden, fesseln sie diesen Teufel und sagen: „Dieser Weizen wurde uns von dem himmlischen Vater geschickt.“ Folglich müsst ihr einen reinen Verstand und ein reines Herz haben, um das wahrnehmen zu können, was euch von oben geschickt wird.

Im Anfang war das Wort und Gott war das Wort.“ Fragen wir uns also, ob dieser Anfang in uns ist, ob wir in Gott sind und Gott in uns ist. Ich sage nicht, dass ihr nicht in Gott seid. Ich behaupte sogar mit Sicherheit, dass ihr in Gott existiert, lebt und euch bewegt, aber Gott ist nicht in allen von euch. Denn der Mensch kann eine vertrocknete Wurzel sein und obwohl die Säfte des Baums fließen, können sie nicht eindringen. Was nützt euch Christus, wenn ihr eine dürre Wurzel seid? Nicht nur wir müssen in Gott sein, sondern auch Gott muss in unserem Verstand und in unserem Herzen sein.

Was habt ihr nun von dem heutigen Vortrag verstanden? Merkt euch Folgendes, was für euch aus rein praktischer Sicht wichtig ist: Ihr müsst je ein dünnes Rohr von dieser Quelle in euren Hof verlegen und von jetzt an weder mich noch die Pfarrer bemühen. Ihr meint, unsere Pfarrer predigen nicht. Sie sind schließlich nicht eure Lastträger. Baut euch einen Brunnen und trinkt. Ihr meint, die Pfarrer seien schlecht, weil sie euch kein Wasser geben. Leitet euch selbst Wasser von der Quelle nach Hause und möge diese östliche Frage1 damit geklärt sein. Nachdem ihr Wasser aus dieser Quelle zu euch geleitet habt, werden alle Streitigkeiten verschwinden. Der englische Gelehrte Drawmond hat einmal gesagt, dass es drei Elemente gibt, mit denen wir uns ständig ernähren: Die ersten zwei sind Luft und Wasser, die uns der Herr umsonst geschenkt hat, und das dritte Element ist die Nahrung, für die wir ständig arbeiten müssen. Wenn wir für den Erwerb nur eines dieser Elemente Sklaven geworden sind, in welchem Zustand wären wir, wenn wir auch die anderen zwei Elemente auf dieselbe schwierige Weise erwerben müssten? Unsere Lage wäre dreimal so schwierig. Eines Tages, wenn wir klüger geworden sind, wird uns der Herr auch das dritte Element schenken und dann werden wir freie Bürger sein. Jetzt sind wir im dritten Stadium unserer Entwicklung.

Christus löst die Frage und sagt: „Ich bin das lebendige Brot.“(Joh 6,51) Wenn er als lebendiges Brot in uns eingeht, werden wir alle – Männer, Frauen, Kinder, Pfarrer, Lehrer – frei und dann werden wir uns mit wichtigeren Dingen beschäftigen, so wie es von Gott bestimmt wurde. Aber jetzt treiben wir nur Biertischpolitik – wer hat mehr, wer hat weniger. Jetzt beruht alles, einschließlich Kriege, auf dem Brot und wenn jemand das ihm notwendige Brot besitzt, will er auch das Brot der anderen nehmen, um noch mehr zu haben. Christus sagt: „Ich bin das lebendige Brot, ich löse die Frage, ich werde eine Quelle sein.“ Eine Quelle wovon? Von Freiheit, von einem vernünftigen Leben, von einer vernünftigen Heldentat, von einer Umwandlung der Welt. Das ist der Anfang. Also, wenn ihr mit Jesus Christus arbeiten wollt, solltet ihr euch mit diesem Anfang verbinden. Und danach werdet ihr alle Güter haben, die Kraft Christi wird auch eure Kraft sein und alle Menschen auf dieser Welt, die sich rechts von Christus befinden, werden eure Freunde sein. Dann werdet ihr euch vereinen und mit einer brennenden Kerze eure Brüder suchen. Vom Herrn werdet ihr einen Rat erhalten, was ihr mit euren links stehenden Brüdern tun sollt. Ihr kommt zur Erde zurück, um ihnen zu helfen, bis wir alle – sowohl diejenigen, die sich rechts befinden als auch diejenigen, die sich links befinden – in den Himmel zurückkehren, um mit Christus eins zu sein. Das ist der Anfang, das ist das Wort, das ist Gott, über den ich heute Morgen vor euch predige. Und dieses lebendige Wort, das die Welt aufbaut, erhebt und umwandelt, befindet sich in euch – es ist der lebendige Christus.

 

Ein Vortrag, gehalten am 8. November 1914, Sofia

1Östliche Frage – ein Problem der internationalen Politik, das seinen Anfang von der Eroberung Konstantinopels durch die Türken 1453 nimmt, teilweise mit dem Sieg der christlichen Länder über die Türkei während des Balkankriegs 1913 und erst mit dem Abschluss des Waffenstillstands zwischen der Entente und der Türkei zum Ende des I. Weltkriegs (30.10.1918) endet. Hier steht „die östliche Frage“ im übertragenen Sinn für „ein ewiges Problem“.

 

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