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1942_06_27 DER NEUE WEG


mariaK

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DER NEUE WEG


 


\chapter[Der neue Weg]{DER NEUE WEG}


 

\rightline{Nachdenken}

 

\vspace*{0.3cm}

 

Alle fragen nach dem guten Weg zur Verwirklichung der guten Wünsche. Der einzig wahre Weg ist der Weg der Liebe. Jemand möchte Maler werden. Er kann sofort Maler werden, aber er sollte in den Bereich der Malerei eintreten, wo der Verstand aller Maler vereinigt ist. Wenn er in diesen Bereich nicht eintritt und sich mit dem Verstande der Maler verbindet, wird er weiterhin malen, aber kein einziges wertvolles Gemälde hervorbringen. Wenn du Musiker werden willst, wirst du den Bereich der Musik betreten; wenn du Poet werden willst, musst du den Bereich der Poesie betreten; willst du Philosoph werden, wirst du den der Philosophie betreten. Solange der Mensch nicht die Umgebung betritt, die seinen Wünschen entspricht, wird er spielen, schreiben, philosophieren, aber weder Poet noch Philosoph werden können. Kommt der Mensch in eine harmonische Umgebung, erreicht er seine Wünsche leicht, mit geringen Anstrengungen. Jede harmonische Umgebung führt zur Liebe. Deshalb sagen wir, dass der einzige gerade Weg zum Erreichen der menschlichen Wünsche der Weg der Liebe ist. Dieser Weg ist weder neu noch alt; er ist weder leicht noch schwer. Schön ist der Weg der Liebe. Vom Menschen hängt es ab, ob er leicht oder schwer ist. 

 

Wie äußern die meisten Menschen ihre Liebe? -- Wenn sie jemanden lieben, legen sie ihm ein Halfter an, legen ihm einen Sattel auf und sagen: "`Hopp!"' Das ist der schwierige Weg der Liebe, da sie unterjocht. Es gibt aber Menschen, die, wenn sie jemanden lieben, ihn befreien. Sie nehmen die Ziemen ab und lassen ihn in Freiheit. Das ist der leichte Weg der Liebe. Also die einen Menschen lieben und mit der Liebe unterwerfen sie, die anderen lieben und befreien die Unterworfenen.

 

Wie ist der Zustand der heutigen Menschen? -- Sie befreien sich ständig; sie sind in der Welt der Liebe getränkt und von Vernunftwesen umgeben, die sie lieben und sie ununterbrochen befreien. Kommst du aus einer Schwierigkeit heraus, ist das ein Zeichen, dass man dich befreit hat. Das Unterjochen ist zweifach: Der Mensch unterjocht sich selbst oder wird von anderen unterjocht. Es reicht, jemanden zu lieben und zu wünschen, sich seiner zu bemächtigen, das heißt, ihn für sich zu behalten, um sich selbst zu unterwerfen. In dieser Hinsicht gleicht der Mensch dem Meeresvogel, der sich von Weitem in das Wasser stürzt, um nach seiner Beute zu greifen, aber anstatt den Fisch herauszuholen, fällt er ins Wasser und ertrinkt. Was geschieht da? -- Es zeigt sich, dass der Fisch sehr groß ist und der Vogel ihn nicht mit sich forttragen kann. 

 

Bis der Mensch zu der Liebe gelangt, die befreit, durchläuft er die große Schule. Eine junge, schöne Frau kam zu Gott mit der Bitte, ihr etwas zu geben, das sie berühmt mache. Gott erhörte ihre Bitte und verwandelte sie in einen Stock aus der Kornelkirsche. Ein Lehrer sah diesen Stock und nahm ihn mit dem Ziel, die ungehorsamen Schüler zu bestrafen. Als er den Stock erhob und den Rücken der ungehorsamen Schüler schlug, blieb die junge Frau mit ihrem Dienst, in den sie eingespannt wurde, unzufrieden und ging zu Gott, um sich zu beschweren. Gott sagte ihr: "`Jetzt werde ich dich in einen Stock aus Haselnussholz verwandeln. Der Stock wurde von einem guten Kapellmeister gefunden, der ihn nahm, damit er ihm beim Dirigieren helfe. In kürzester Zeit wurde der Kapellmeister auf der ganzen Welt berühmt und alle sprachen über seine Erfolge. Das befriedigte die junge Frau, die Gott dankte, dass Er sie in einen Stock aus Haselnussholz verwandelt hatte. 

 

Folglich, solange die Menschen den Dienst als Stock aus der Kornelkirsche erfüllen und die ungehorsamen Schüler schlagen, werden sie immer mit dem Leben unzufrieden sein. Werden die Menschen zu Stöcken aus Haselnussholz und kommen sie in die Hände von guten Kapellmeistern, werden sie berühmt werden und mit dem Leben zufrieden sein. Zuerst wird der Mensch ein Stock aus der Kornelkirsche sein und wird in die Hände des Lehrers kommen, der die ungehorsamen Schüler erzieht; danach wird er ein Stock aus Haselnussholz werden und in die Hand des guten Kapellmeisters kommen, durch den er berühmt werden wird. Diejenigen Schüler, die der Lehrer mit dem Stock aus der Kornelkirsche geschlagen und erzogen hat, sind gehorsam geworden, und gut erzogen, kommen sie ins Orchester des guten Kapellmeisters, der sie mit dem Stock aus Haselnussholz dirigiert. So gewinnt der durchlaufene Weg einen großen Sinn. 

 

Die vernünftige Natur erzieht ihre Kinder mit unterschiedlichen Methoden, entsprechend ihrer Entwicklungsstufe, bis sie sie endlich auf den Weg der Wahrheit, der Freiheit, der Weisheit und des Lichts bringt. Eines Tages, wenn ihr diesen Weg durchlaufen habt, werdet ihr euch freuen und sagen: "`Wie unvernünftig waren wir, unter solchen reichen Bedingungen gelebt zu haben und zu murren."' Schlägt die Seele den Weg der Liebe ein, erfreut sie sich an reichen Bedingungen und Möglichkeiten. Die Liebe ist der Weg der ewigen Erneuerung und des ewigen Verjüngens, ein Weg des ewigen Erhebens. Was werdet ihr über eine Sängerin sagen, der alle Beifall zollen, die von Blumen und Geschenken überschüttet wird? -- Sie ist auf dem Weg ihres Aufstiegs. Wenn aber eine andere bessere, jüngere, schönere kommt, verdrängt sie die erste. Sie ist mit ihrem Zustand unzufrieden, da sie von der Spitze, die sie bestiegen hat, hinabsteigt. Das ist die menschliche Sicht der Dinge. Unumgänglich ist der Weg des Aufstiegs und des Abstiegs, aber damit der Mensch von beiden Gebrauch machen kann, soll er sie verstehen. Der Aufstieg erfreut den Menschen, bringt in ihm Freude und Erweiterung. Beim Abstieg hat der Mensch Leiden, die in ihm die Tiefe entwickeln -- sie entspricht der Höhe, die er erreicht hat. Wenn es keinen Abstieg gibt, wird sich der Mensch nur freuen, aber bei seiner Entwicklung immer am selben Platz bleiben: Er wird nicht hinabsteigen, aber auch nicht höher hinaufsteigen. Die erste Sängerin soll sich an den Erfolgen der jüngeren erfreuen, um nicht die Quellen ihres Talents trocken zu legen. Nur so wird sie die Bedingungen für ihren Aufstieg und für die Blütezeit ihrer Talente und Fähigkeiten vorbereiten. Der Mensch kann nicht glücklich sein, bis er nicht das Glück aller Menschen wünscht. 

 

Die gegenwärtige Menschheit ist zu einem neuen Weg gekommen -- erst jetzt tritt sie mit der göttlichen Liebe in Verbindung. Vernünftigkeit wird von den heutigen Menschen verlangt. Warum? -- Weil nur der Vernünftige, der Gute und der Gerechte Träger der Liebe genannt werden können. Was bedeutet es, Träger der Liebe zu sein? -- Zu lieben und geliebt zu werden. Vernünftigkeit verlangt man von demjenigen, der liebt, sowie von demjenigen, der geliebt wird. Man sagt, dass die Liebe die Fehler der Menschen nicht sieht. So wird es sich herausstellen, dass die Liebe blind ist. Nein, die Liebe hat viele Augen, sie sieht alles, aber sie verurteilt nie. Wie soll sie nicht sehen können, dass ein Mensch klein, ein anderer groß ist? Soll man denken, dass die kleine Flasche genau so viel Wasser fassen kann, wie die große? -- Wenn man in die kleine Flasche einen Liter Wasser füllt, wird sie sich sofort füllen; wird man noch mehr Wasser in sie füllen, so wird sie überlaufen. Jeder Mensch soll sich kennen, wie viel Reichtum er in sich sammeln kann. Es ist wichtig, den Reichtum, der euch gegeben wurde, vernünftig zu nutzen und nicht den Gewinn großer Reichtümer anzustreben. Die Liebe ist ein Reichtum, den die menschliche Seele anstrebt. Folglich ist es nicht so wichtig, wie viel Reichtum du haben wirst; wichtiger ist es, ihn sowohl für dein Wohl als auch für das Wohl deines Nächsten zu nutzen. 

 

Was tun die Menschen mit der Liebe, wie gehen sie mit ihr um? -- Wie mit den Früchten der Bäume. Jemand pflückt einen Apfel vom Baum, und wenn der Apfel ihm nicht gefällt, spuckt er ihn sofort aus. Das ist nicht richtig: Bevor er den Apfel pflückt, soll er bei ihm verweilen, ihn betrachten und erkennen, ob er ihm gefallen oder missfallen wird. Erst nachdem er an ihm Gefallen gefunden hat, darf er den Apfel pflücken. Viele gehen mit der Liebe so um. Sie nähern sich diesem oder jenem Menschen an, nehmen sich etwas von ihm, und wenn ihnen das nicht gefällt, was sie genommen haben, spucken sie es aus. Das ist der Grund dafür, warum die Menschen mit der Liebe unzufrieden sind. Das sind die Wege der menschlichen Liebe. 

 

Ein neuer Weg eröffnet sich der Menschheit -- das ist der Weg der göttlichen Liebe. Wer diesen Weg einschlägt, der wird gesund, klug und gut werden. Die Eigenschaft, die diese Liebe auszeichnet, ist, dass sie die Bedingungen des ständigen Wachstums mit sich bringt. 

 

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27. Juni 1942, 5.00 Uhr -- Die Sieben Rila-Seen\footnote{Aus dem Bulgarischen Mariya Kireva.}

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